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Gotischer Steckstuhl

Die Idee für einen Steckstuhl gärte bei mir schon länger, nachdem ich einmal diese Bauanleitung im Internet gefunden hatte. Im Sommer 2009 kam das Projekt dann endlich aus der theoretischen Planungsphase heraus. Da es sich um einen ersten Versuch in diesem Metier handelte, habe ich Holz genommen, das gerade übrig war, also nichts extra hierfür gekauft. Leider hat die verwendete Standard-Fichte auch einige weniger angenehme Eigenschaften, so daß man z.B. vergleichsweise gut auf die weiche Oberfläche aufpassen muß, und daß beim Ausreißen immer gleich eine größere Faser betroffen ist. Und ein paar Schraublöcher aus dem früheren Leben... aber ich sollte nicht jammern, nichts davon fällt groß auf :-)

An der Bauanleitung habe ich ein paar kleinere Veränderungen vorgenommen: Zum einen habe ich das Blendwerk an der Rückenlehne weggelassen, da ich mir die Leiste genau in der Mitte des Rückens beim Sitzen eher unangenehm vorstellen kann. Sieht definitiv gut aus, aber eher unpraktisch, würde ich persönlich sagen. Das Maßwerk hinten und an den Seiten habe ich nicht sklavisch von den Vorlagen abgezeichnet, sondern einfach mit dem Zirkel selbst entworfen, was aber zumindest optisch kaum einen Unterschied macht. Und schließlich kam mir die in der Anleitung angegebene Neigung nach hinten zu stark vor, und ich habe sie deutlich schwächer ausgeführt. Dadurch sitzt man vergleichsweise gerade in dem Stuhl, was von manchen Leuten als angenehm empfunden wird, von anderen nicht; Geschmackssache eben. Beim nächstenmal würde ich es aber wohl wieder ein wenig mehr neigen.

Leider kam ich erst recht spät auf die Idee, Fotos vom Bau zu machen, daher kann ich keine Bilder vor den fertig ausgeschnittenen Teilen zeigen. In diesem und dem vorhergehenden sieht man den provisorisch zusammengesteckten Stuhl, bei dem gerade die Armauflagen angeleimt werden.

Die Formen habe ich größtenteils nach der Vorlage aufgezeichnet, nur der Spitzbogen oben ist freihändig aufgemalt und dann mit abgemessenen Stützpunkten auf die andere Seite übertragen worden. Danach wurden die Teile einfach mit der Stichsäge ausgeschnitten und anschließend mit Raspel, Feile und Deltaschleifer feinbearbeitet. Die Löcher für die Keile, die die Konstruktion zusammenhalten, wurden mit dem Stemmeisen ausgestemmt. Dies und die Nachbearbeitung der Innenkanten des Maßwerks haben übrigens den größten Teil der Arbeitszeit beansprucht.

Hier sieht man nun die Einzelteile, nachdem sie gebeizt wurden. Die normale, helle Farbe von Fichte hätte meiner Ansicht nach nicht so richtig zu einem edlen Stuhl gepaßt. Auch wirkt dunkles Holz älter, was sicher einen guten Teil des "mittelalterlichen" Eindrucks ausmacht. Der verwendete Farbton ist frei Schnauze aus dem ja reichhaltig vorhandenen Vorrat zusammengemischt (und selbstverständlich an Verschnittstücken ausprobiert :-)

Und nach getaner Arbeit ist das gute Stück bereit zum Testen!

Ein großer Vorteil der Konstruktion ist ganz sicher, daß nach dem Herausziehen der Keile nur vier fast flache Bretter übrigbleiben, die platzsparend zu verladen sind und somit leicht auf Märkte mitgenommen werden können. Seine Premiere hatte der Steckstuhl übrigens in Ellingen dieses Jahr (2009). Auf dieser Galerieseite findet man ihn im Bild rechts oben, etwas im Hintergrund neben dem Zelt.