Scriptorium Banner

Tinten

Ich bin von Marktbesuchern häufig gefragt worden, ob ich denn auch Tinte verkaufe. So habe ich schließlich im Winter 2010/11 beschlossen, mich in die Tintenherstellung einzuarbeiten. Zu diesem Interesse seitens der Kunden kam auch (nicht ganz uneigennützig ;-) die Tatsache, daß historische Tinten nur schwer zu beschaffen sind, vor allem farbige. Und wenn man sie findet, sind sie alles andere als billig...

Mein Ausgangspunkt war das knappe, aber dennoch auf alle Fälle empfehlenswerte "Kleines Rezeptbuch der historischen Tinten" von Nicolaus Equiamicus (ISBN 978-3-89094-593-4). Weitere Anregungen fand ich bei Claudia Schröders Mysterium Scribendi und in der "Recept-Sammlung" von J.C.Wegener (1830). Und mit etwas Übung habe ich mich dann auch an eigene Experimente gewagt.

Im folgenden möchte ich die Tinten beschreiben, die ich aktuell im Sortiment habe. Leider ist es aber praktisch unmöglich, Farben über das Internet exakt wiederzugeben. Kamera, Bildkompression und (fehlende) Monitorkalibrierung haben alle ihren Anteil daran, dies zu verhindern. Man darf sich also nicht allzusehr darauf verlassen, was man am Bildschirm sieht... besser ist es, mich beim nächsten Markt zu besuchen und die Farben "in real life" zu begutachten! :-)

Eisen-Gallus-Tinte

Dies ist die klassische schwarze Tinte. Sie ist absolut licht- und wasserfest, da der eigentliche Farbstoff (genannt Eisen-Gallus-Komplex) nicht wasserlöslich ist und erst durch Oxidation im Papier entsteht. Sie läuft dünn-grau aus der Feder und nimmt erst nach einiger Zeit eine tief sattschwarze Farbe an. Sie wird heute noch als dokumentenechte Tinte angeboten und z.B. für Staatsverträge verwendet.

Ihr Nachteil ist, daß sie sauer reagiert und langfristig den Beschreibstoff angreift. Museen haben schwer mit dem sog. Tintenfraß zu kämpfen, bei dem sich genau die beschriebenen Stellen aus dem Papier lösen und Löcher zurücklassen. Aber gottseidank dauert es Jahrhunderte, bis es so weit ist :-)

Hergestellt wird Eisen-Gallus-Tinte, indem man Galläpfel von Eichen zerstößt und auskocht, und den Sud dann mit Eisensulfat und ein wenig Gummi arabicum für die Oberflächenspannung vermengt. Die vorgegebenen Rezepte unterscheiden sich alle etwas hinsichtlich der Mengenverhältnisse der Zutaten und etwaiger Beigaben, inzwischen habe ich meine eigene, auf die heute erhältlichen Zutaten optimierte Rezeptur.

Die "Eisen-Gallus-Tinte mit Weinessig" aus dem Buch von N.Equiamicus ist insofern eine Besonderheit, als sie mit Blauholz angefärbt wird. Dadurch schreibt sie sich von Anfang an viel dunkler und besser erkennbar als die normale Eisen-Gallus-Tinte, auch wenn der Endzustand quasi der gleiche ist. Durch die notwendige Reifezeit ist sie allerdings auch um einiges aufwendiger.

Brazilholz-Tinte

Zur Herstellung dieser Tinte wird das Holz des Rotholzbaums (Caesalpinia echinata) in mehreren Schritten ausgekocht und gefiltert. Durch Zugabe von Alaun erhält man eine tiefrote Tinte von ausgesprochen schöner Farbe.

Brazilholz war übrigens im Mittelalter ein Importprodukt aus Indien und entsprechend teuer. Später entdeckten die Portugiesen in ihrer amerikanischen Kolonie reiche Vorkommen dieses Baums und exportierten ihn in großer Menge, so daß das Herkunftsland bald "terra do brazil" genannt wurde.

Karmin-Tinte

Der Farbstoff dieser Tinte stammt von der Kermes-Schildlaus Porphyrophora polonica und war bereits in vorgeschichtlicher Zeit bekannt. Seit der Entdeckung Amerikas verwendet man jedoch lieber die ergiebigere Cochenille-Schildlaus. Der Farbstoff Karmin ist sogar als Lebensmittel zugelassen und wird auch für Kosmetik verwendet ("Lippenstift-Rot").

Karmin ist nicht in Wasser löslich, jedoch in Ammoniak. Man kann das Farbpulver also in Salmiakgeist lösen und den Ammoniak anschließend verdunsten lassen. Danach wird die Tinte noch mit etwas Gummi arabicum besser schreibfähig gemacht.

Eine Anmerkung übrigens zum Rezeptbuch von N. Equiamicus: Bei der "Roten Tinte 4" ist bestimmt 180ml Salmiakgeist (haushaltsübliche 10%) gemeint, nicht 180g Ammoniak! Beim ersten mal habe ich das wörtlich genommen und zwei Wochen gewartet, bis der Gestank endlich verschwunden war... :-)

Blauholz-Tinte

Das Holz des Blutholzbaums (Haematoxylum campechianum, auch Campechebaum genannt) wird ebenfalls ausgekocht, der Sud muss danach einige Zeit reifen.

Der Farbton der Tinte geht eher in Richtung violett, was ein allgemeines Problem historischer blauer Farben war. Die Tendenz zu lila hatten alle Blautöne, ausgenommen dem Ultramarin (Lapislazuli), das aber aus Afghanistan importiert werden mußte, und dementsprechend sündhaft teuer war. Und Färberwaid eignet sich nicht gut als Tinte, da der Farbstoff (Indigo) nur in chemisch reduzierter Form (Leuko-Indigo) gelöst werden kann, dann allerdings farblos ist!

Eine besondere Eigenschaft dieser Tinte ist, daß sie auch in sehr großer Verdünnung noch gut verwendbar bleibt, also gut lasiert. Ich verwende sie in dieser Form z.B. für unauffällige Hilfslinien, wenn diese —wie im Mittelalter üblich— auf dem Papier verbleiben sollen.

Purpur

Diese Tinte entspricht nur teilweise dem Rezept von N. Equiamicus (Purpurne Tinte 1, Blauholz mit Grünspan). Da sie sich nur wenig von der normalen Blauholztinte unterschied, habe ich das Experiment gewagt, sie mit Brazilholz zu mischen, um einen rötlicheren Farbton zu erreichen.

Die beiden Ausgangstinten erwiesen sich als sehr gut mischbar und verträglich. Das Ergebnis kommt durch seine Ausgewogenheit zwischen Blau- und Rotanteilen sehr gut beim Publikum an.

Preußisch-Blau

Wie oben schon erwähnt, sind die meisten natürlichen blauen Farbstoffe mit irgendwelchen Nachteilen behaftet (violettstichig, teuer, schwer zu applizieren, wenig lichtbeständig, ...) Insofern war der 1706 von Diesbach in Berlin entdeckte Farbstoff Preußisch-Blau eine Art von Revolution: Erstmals konnte ein qualitativ hochwertiges blaues Pigment künstlich in großen Mengen hergestellt werden, was auch den Wendepunkt zwischen historischen und modernen, chemischen Farben markiert.

Die Namen für den eigentlichen Farbstoff Eisenhexacyanoferrat, der aus gelben Blutlaugensalz und Eisensalz gewonnen wird, sind recht vielfältig: Berliner Blau, Stahlblau, Turnbulls Blau, Miloriblau, Pariser Blau, usw. Der Ausdruck "Preußisch-Blau" kommt angeblich davon, daß die Uniformen der preußischen Soldaten damit gefärbt wurden. Die Farbstärke und Deckkraft sind hervorragend. (Sogar Glas färbt sich bei Kontakt!)

Das Pigment ist nicht in Wasser löslich, jedoch in schwach konzentrierter Oxalsäure. Zusammen mit Gummi arabicum gegen das Verlaufen ergibt sich eine tiefblaue Tinte mit hoher Deckkraft und einem sehr charakteristischen Geruch.

Malachit-Tinte

Malachit ist ein Kupferkarbonat, das natürlich als Mineral vorkommt. Wenn man den Stein in Essig einlegt, wird er porös und kann zerstoßen werden. Das Pulver ist dann einigermaßen gut in Essig löslich. (Stärkere Säuren würden den Farbstoff angreifen.)

Die so entstandene Flüssigkeit ist jedoch viel zu dünn für eine Tinte, so daß ich sie einige Monate offen stehen lasse, bis bei ca. 10%...15% der ursprünglichen Menge das gelöste Carbonat beginnt auszufallen. Dann erhält man einen satten Grünton. Ein Nebeneffekt der langen Prozedur ist, daß die Essigsäure sich an der Luft zu Wasser und CO2 zersetzt und somit der scharfe Essiggeruch praktisch verschwindet. Wie meist wird auch hier Gummi arabicum zugegeben (mehr als sonst), um mehr Farbstoff in der Lösung zu halten und die Schreibeigenschaften zu verbessern.

Grünspan-Tinte

Grünspan entsteht, wenn man Kupferblech in Essigsäure "rosten" läßt. Wenn man ihn zusammen mit Weinstein kocht, entsteht eine Tinte mit einer ausgesprochen schönen grün-türkisen Farbe.

Wie alle Kupferverbindungen (also auch der Malachit von oben) ist Grünspan gesundheitsschädlich, sollte also besser zum Schreiben und nicht zum Trinken verwendet werden!

Kreuzdorn-Tinte

Historische gelbe Farbstoffe, die in Tinten Verwendung fanden, bestehen hauptsächlich aus Blei- oder Arsenverbindungen (Bleichromat, Blei-Zinn-Gelb, Auripigment, etc.), die leider allesamt hochgiftig sind.

Um dennoch Gelb für verschiedene Malereien zur Verfügung zu haben, hatte ich zunächst mit Ocker experimentiert. Dieser wird mit Hilfe von viel Gummi arabicum in Suspension gebracht. Dabei handelt sich dabei aber nicht um eine Tinte im eigentlichen Sinne, da der Farbstoff nicht gelöst ist

Im Winter 2012/13 bin ich dann endlich dahintergekommen, was mit den "Gelbbeeren" in einem Rezept gemeint ist, nämlich die unreifen Beeren des Kreuzdorns (Rhamnus catharticus). Diese ergeben, wenn sie mit Alaun ausgekocht werden, eine kräftige, dunkelgelbe bis bräunliche Tinte.

Während die Ocker-Ersatztine immer zu blaß war, so muß man die Kreuzdorn-Tinte nun eher vorsichtig verwenden. Dünn ist sie strahlend gelb, dick aufgetragen wirkt die Farbe braun, dazwischen kann man auch ein gold-gelb erreichen. Die Konsistenz ist jedenfalls um einiges besser, so daß ich Ocker komplett aus dem Programm genommen habe.

Und dies hier ist übrigens mein Tinten-Test-Pergament draußen auf dem Balkon. Es mußte dort gut drei Monate bei Sonne, Regen und Sturm etc. verbringen, um die Wetterbeständigkeit der Tinten zu beweisen! Die Tinten haben es übrigens besser überstanden als die Klammer, die war danach anständig verrostet :-)